Intro: Für die Bauern der GADC ist Baumwolle eine Cash Crop, eine Feldfrucht, mit der man Geld verdienen kann und die gemäß des Fruchtwechselanbaus im folgenden Jahr durch andere Feldfrüchte wie Mais, Kohl, Kürbis, Sesam oder Chillies abgelöst wird. Im Biolandbau werden keine Pestizide eingesetzt. Umso wichtiger ist es, dass die Bauern Methoden kennen, wie man mit biologischen Mitteln – z.B. durch Nützlinge – Schädlinge im Schach hält und somit die Ernte schützt. Vorhandenes und überliefertes Wissen diesbezüglich muss bewahrt und weitergegeben werden. Genauso wichtig ist Forschung auf diesem Gebiet. Die vielfach ausgezeichnete Journalistin Bettina Rühl hat das ICIPE, das „Internationale Zentrum für Insektenphysiologie und -ökologie“ in Nairobi der kenianischen Hauptstad im Nachbarland Ugandas besucht und deren Arbeit im Bereich der biologischen Schädlingsbekämpfung in dem nachfolgenden Artikel beschrieben. Von Stefan Rennicke
Ob Herbst-Heereswurm oder Reismotten – die Liste der Insekten, die in afrikanischen Ländern jedes Jahr viele Tonnen Ernte vernichten, ist lang. In Nairobi erforschen Wissenschaftler biologische Wege, den Tieren Einhalt zu gebieten.
Von Bettina Rühl
Aufmerksam schaut Sevgan Subramanian in den gläsernen Käfig. „Sehen Sie, dort?“, fragt der kenianische Wissenschaftler, „es sieht fast aus wie ein schwarzes Staubkorn. Aber es ist ein weibliches Parasitoid, das gerade Eier in die Eier des Herbst-Heereswurms legt“. Der Insektenforscher lacht leise, vielleicht amüsiert er sich darüber, wie eine Art die andere ausschaltet. „Austrickst“, würde man wohl sagen, wenn es sich um Lebewesen mit Bewusstsein handelte. Subramanian leitet die Abteilung für Gesundheit der Umwelt („Environment Health Theme“) am ICIPE, dem renommierten „Internationalen Zentrum für Insektenphysiologie und -ökologie“ in der kenianischen Hauptstadt Nairobi.
Subramanian hat sich als Wissenschaftler unter anderem einen Namen gemacht, weil er und sein Team Methoden entdeckt haben, wie der Herbst-Heereswurm auf ökologische Weise in Schach zu halten ist – ein Maisschädling, der ursprünglich aus den Amerikas stammt. Seit einigen Jahren breitet er sich weltweit aus, seit 2016 auch in afrikanischen Ländern. Mit katastrophalen Ernteverlusten für die Bäuerinnen und Bauern. Laut den Zahlen der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO zerstören die gefräßigen Larven bis zu 50 Prozent der Ernte, wenn sie ein Feld erst einmal befallen haben.
Wer ihm zuhört, kann die Zuversicht zurückgewinnen, dass die Menschen dem Herbst-Heereswurm und anderen Schädlingen nicht ausgeliefert sind, selbst wenn sie keine teuren, chemischen Pestizide einsetzen – die für die meisten Kleinbäuerinnen und Kleinbauern unerschwinglich sind. Subramanian hält noch aus anderen Gründen nichts davon, die unerwünschten Lebewesen auf chemische Weise zu bekämpfen: „Wir vernichten dabei jedes Mal auch die natürlichen Feinde der Schädlinge“, kritisiert er. „Abgesehen von möglichen Resten der Chemikalien auf den Lebensmitteln und eventuellen gesundheitlichen Folgen.“
Stattdessen setzen die Forschenden des ICIPE auf biologische Methoden. Schon vor zwei Jahren gelang ihnen ein Durchbruch bei der Bekämpfung des Herbst-Heereswurms: Sie fanden drei einheimische Schlupfwespenarten, die den Nachwuchs des gefräßigen Schädlings zerstören. In einem Feldversuch setzten sie hunderttausende dieser Schlupfwespen in kenianischen Maisfarmen mit Herbst-Heerwurmbefall frei. Die freigelassenen Arten konnten die Schädlinge um bis zu 55% dezimieren.
Das größte Problem seien Schädlinge, die neu irgendwo auftauchen, erklärt Subramanian. Infolge des Klimawandels tritt das immer häufiger auf: Klimazonen verändern sich, und plötzlich finden Insekten ökologische Nischen in Regionen, die früher für sie unbewohnbar waren – so wie neuerdings die Tigermücken in Europa. „Die Eindringlinge haben dort erst einmal überhaupt keine natürlichen Feinde“, beschreibt der Wissenschaftler. „Nach ein paar Jahren pendelt sich das ein, aber bis dahin haben die neuen Schädlinge freie Fahrt.“ So wie der Herbst-Heereswurm in afrikanischen Ländern. Die Forschenden des Icipe sehen ihre Aufgabe darin, den natürlichen Prozess zu beschleunigen, indem sie den Schädlingen ihre Feinde sozusagen hinterhertragen.
Andere Methoden seien noch einfacher, darunter die Push-Pull-Bewirtschaftung, die vom Icipe entwickelt wurde: zwischen die Maisstauden werden Leguminosen gepflanzt, die den Herbst-Heereswurm und andere Schädlinge durch ihren Geruch abstoßen. Um das Feld herum wird Napier-Gras gesetzt, das die Insekten anzieht. Einer Studie zufolge gab es auf Feldern, die von dem Schädling befallen waren, aber mit der Push-Pull-Methode bewirtschaftet wurden, rund 80 Prozent weniger Schäden gab als in normal bewirtschafteten Feldern. Dass ihn solche Erfolge freuen, ist Subramanian anzumerken. Und vor allem ist zu spüren, dass ihn fasziniert, wie sich Lebewesen unter günstigen Bedingungen gegenseitig kontrollieren.
Bettina Rühl ist freiberufliche Journalistin und arbeitet schwerpunktmäßig zu Afrika. Seit April 2011 lebt sie in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Ihre Feature, Reportagen und Berichte erscheinen in verschiedenen Sendungen des ARD-Hörfunks, in Magazinen und Zeitungen. Für ihre Berichterstattung aus und über Afrika wurde sie vielfach ausgezeichnet und 2020 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Bettina Rühl ist Vorsitzende des Korrespondentennetzwerkes weltreporter.net.
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Fotos © Bettina Rühl, Stefan Rennicke